Naturnahe Waldnutzung im Stadtwald nach dem Lübecker Modell

Antrag der Fraktionen der CDU, DIE GRÜNEN und der FWG an den Stadtrat Kaiserslautern

Anträge vom 17. Januar 2022:

  1. Der Stadtrat befürwortet grundsätzlich die u.g. Grundsätze und Ziele einer naturnahen Bewirtschaftung des Stadtwalds.

2. Die künftige Bewirtschaftung des Stadtwalds erfolgt nach dem Lübecker Konzept. Dies beinhaltet u.a.:

a. Ausrichtung aller forstlichen Aktivitäten an dem Ziel, das Ökosystem Wald gesund und widerstandsfähig zu erhalten

b. Steigerung der Baumdichte bzw. des Holzvorrats im Wald. Dabei sollen frühe Entwicklungsphasen mit nur geringem Einschlag sichergestellt werden. In späteren Entwicklungsphasen werden lediglich vereinzelt starke Bäume entnommen.

c. Keine Befahrung des Waldbodens außerhalb der Erschließung

d. Kein Einsatz von schweren Maschinen (Harvester) für Holzernte und Transport, sondern Verwendung von ökosystemschonenden Möglichkeiten zur Holzentnahme, z.B. durch Stilllegung von Rückegassen und Verwendung von Rückepferden, leichtere Maschinen und entsprechende Bereifung, Verwendung von Seilwinden.

e. Holzeinschlag und Holztransport im Wald überwiegend nur durch gut ausgebildetes eigenes Personal. In Ausnahmetällen kann auch auf regionale zertifizierte Unternehmer zurückgegriffen werden.

f. Die Einbringung standortfremder Baumarten wird abgelehnt. Vielmehr soll eine natürliche Mischung aus standortheimischen Baumarten erzielt und gepflegt werden.

g. Keine Kahlschläge, sondern einen deutlich reduzierte und waldverträgliche Entnahme.

h. Keine Monokulturen. Keine Anwendung von Düngern und Pestiziden

3. Darüber hinaus soll kein weiterer Ausbau von Forstwegen erfolgen. Schotterungen von Forstwegen und die Verwendung anderer standortfremder und nicht zertifizierter Materialien zur Wegerschließung ist nur ausnahmsweise zulässig und soll an die Zustimmung des Umweltausschusses geknüpft werden. Die Möglichkeit eines evtl. Rückbaus ausgebauter Forstwege wird geprüft.

4. Es wird angestrebt über die bestehende FSC-Zertifizierung hinaus das Naturland-Zertifikat zu erhalten.

5. Zur Erläuterung des Konzepts wird Dr. Lutz Fähser zur Sitzung eingeladen. Er ist der Begründer des Lübecker Modells und unterstützt mittlerweile viele Gemeinden und Städte in puncto ökologische Waldbewirtschaftung.

Grundsätze und Ziele eines Bewirtschaftungskonzepts für den Stadtwald Kaiserslautern

Der Stadtwald ist dem Gemeinwohl verpflichtet und wird dabei als den Bürgern dienender Erlebnis- und Erholungsraum, als natürliche Lebensstätte für Tiere und Pflanzen sowie als Wirtschaftsfaktor als Ökosystem bewahrt, genutzt und geschützt. Die Abwägung dieser unterschiedlichen Interessen gestaltet sich angesichts des Artensterbens und der Klimakrise immer anspruchsvoller.

Unter Betrachtung der Waldgeschichte wird deutlich, dass sich viele der in der Vergangenheit gesetzten Ziele der Forstwirtschaft grundsätzlich gewandelt haben. Forstliche Zielsetzungen und das tägliche forstliche Handeln haben sich an veränderte wirtschaftliche Gegebenheiten und an veränderte gesellschaftliche Anforderungen angepasst. Auch der stetige Erkenntniszuwachs über den Wald und seine Dynamik muss zu einer permanenten Überprüfung von Zielsetzungen und Maßnahmen im Wald führen.

Ökologisch optimales Funktionieren ist die Voraussetzung für ökonomisch positive Ergebnisse und für die Erfüllung sozialer und kultureller Anforderungen an Wälder im Sinne einer umfassenden Nachhaltigkeit. Das Waldkonzept soll eine umfassende und zuverlässige Daseinsvorsorge für vor allem waldgebundene Pflanzen und Tiere sowie den Menschen bewirken.

Das Leitbild des Handelns im Stadtwald sind die natürlich ablaufenden Prozesse in mitteleuropäischen Laubwäldern. Ziel der Waldentwicklung ist die natürliche Waldgesellschaft, die sich auch ohne Bewirtschaftung an einem Standort einstellen würde und unter sich wandelnden Klimabedingungen einer dynamischen Entwicklung anpassen würde. Die natürliche Waldgesellschaft ist langfristig die risikoärmste und produktivste Erscheinungsform des Waldes. Die Leistungs- und Wirtschaftsziele für den Wald müssen angemessen und nicht maximal formuliert sein, damit das Ökosystem nicht überfordert und aus seinem ökologischen Optimum verdrängt wird.

Das Prinzip des Minimalen Einsatzes ist in der Urproduktion Waldwirtschaft ökologisch und wirtschaftlich dem Prinzip des Maximalen Ergebnisses langfristig überlegen. Das wirtschaftliche Betriebsziel erreicht das Konzept mit wenigen Bäumen mit maximaler Wertschöpfung und nicht durch Maximierung der Menge des nutzbaren Holzes. Bäume sind idealerweise erst zu ernten, wenn sie einen bestimmten  Mindestdurchmesser erreicht haben. Bei den herkömmlichen Vorgaben werden zu viele Bäume schon vor diesem Zeitpunkt gefällt.

Trockene und heiße Sommer setzen auch unsere Buchenwälder zunehmend unter Stress. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass dieser Stress umso stärker wirkt, je häufiger die Waldbestände durchforstet und damit lichter gestellt werden. Vorzeitige Absterbeerscheinungen verbunden mit wirtschaftlichen Verlusten sind die Folge. Hingegen wird die Anfälligkeit von Wäldern gegenüber klimatischen Veränderungen mit zunehmender Naturnähe reduziert.

Begründung:

Durch das Lübecker Konzept der Waldwirtschaft konnte in Lübeck die Naturnähe der Waldbestände erheblich verbessert werden. Es gelang, die Holzvorräte in Lübeck zu vergrößern. Die Biodiversität in den Wäldern konnte nachweislich erhöht werden; bei verschiedenen gefährdeten waldtypischen Pflanzen- und Tierarten ist eine Zunahme zu verzeichnen. Bei alldem ist die Zahl der Mitarbeiter im Stadtwald Lübeck annähernd gleichgeblieben. Allerdings ist das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter vielfältiger geworden.

Das bislang in Kaiserslautern praktizierte forstwirtschaftliche Ziel der Waldverjüngung ist in Frage zu stellen, da alte Bäume die besseren Kohlenstoffspeicher sind. Die größten Bäume weisen die höchste Leistungsfähigkeit in Sachen Kohlendioxidaufnahme auf. Dies ergibt sich u, a. aus der Studie „Rate of tree carbon accumulation increases continuously with tree size“ (zu deutsch: Die Rate der Kohlenstoffansammlung im Baum steigt mit der Baumgröße kontinuierlich an). Diese Studie erschien in der Fachzeitschrift „Nature, doi:10.1038/nature12914 (2014)“ und ist das Ergebnis einer Untersuchung von 38 Forschungseinrichtungen, darunter auch das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig.

Es darf nicht nur von Ländern wie Brasilien und Indonesien verlangt werden, ihre Wälder zu erhalten. Auch in Deutschland könnten die Wälder einen viel größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als sie es derzeit tun. Doch dafür müssen wir sie wachsen lassen. Nur noch zwei bis drei Prozent der deutschen Wälder sind alte Buchenwälder über 140 Jahre. Im Durchschnitt sind unsere Wälder laut Inventurstudie 2008 nur 77 Jahre alt. Bei vielen Baumarten sind die Bäume dann wirklich erst im Jugendalter. Um den Klimaschutz voranzutreiben, müssen wir unsere Wälder älter und vor allem vorratsreicher werden lassen.

Um den Kohlenstoffspeicher auch in den genutzten Wäldern zu erhöhen, sollte die Waldbewirtschaftung eine kontinuierliche Steigerung des Holzvorrats vorsehen. Denn der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff, der in den Stämmen und Wurzeln steckt, kann in der Atmosphäre kein Unheil anrichten. So sind je nach Baumart für jeden Kubikmeter Holz ca. 1.000 Kilo CO2 abgesenkt worden. Der durchschnittliche Baumvorrat in deutschen Wäldern von ca. 350 m2 Holz je Hektar beträgt nur rund die Hälfte des Vorrates von Naturwäldern, ist also extrem naturfern.

Die Holzwirtschaft hat auch dann einen positiven Effekt auf das Klima, wenn die Holzverwendung Produkte ersetzt, die für ihre Herstellung umfangreiche fossile Rohstoffe verbrauchen. Das Holz das z. B. zu Möbeln oder Häusern verarbeitet wird, setzt CO2 erst nach Jahrzehnten wieder frei. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Bäume ca. 50 % Wasser enthalten. Gerade alte, dicke Bäume wärmen sich deshalb langsamer auf und haben einen Kühlungseffekt.

Die Exponierung des Waldbodens durch zu starke Auflichtung und die Aufheizung von sonnenexponierten Flächen von Wegen und Plätzen spielt für den Anstieg der Temperatur im Wald ebenfalls eine Rolle. Durch breitflächige Durchforstungen entstehende Auflichtungen sind daher möglichst zu vermeiden.

Hier kannst Du den Text als pdf herunterladen

5 Antworten

  1. Das klingt gut.
    Werden die Heidelberger Stadträte / Stadtratsfraktionen diesbezüglich auch direkt angeschrieben und um Stellungahme gebeten?

  2. Aufruf an die Gemeinderäte Heidelbergs zur Stellungnahme:
    Sehr geehrte Dame,
    sehr geehrter Herr!
    Wir haben aktuell auf unser Webseite über die Initiative der Stadträte von Kaiserslautern zu Thema „Stadtwald in der Klimakrise“ berichtet (siehe Text weiter oben).
    Die Erfahrungen in Lübeck sind positiv, sowohl für die Natur als auch für die Bevölkerung. Jetzt, im immer deutlicheren Klimawandel, bewährt sich das Konzept umso mehr. Etliche deutsche Großstädte setzen das Konzept schon um wie Berlin, München, Saarbrücken, Bonn, Wiesbaden, Düsseldorf, Hannover und Göttingen. In Rheinland-Pfalz betreibt Boppart das Konzept schon sehr lange. In letzter Zeit haben die Stadtwälder von Meiningen (Thüringen), Aachen und Darmstadt eine entsprechende „Waldwende“ begonnen. Es sollte nun das gemeinsame Ziel des Gemeinderats von Heidelberg sein, sich ausführlich über ein ökosystem-orientiertes Vorgehen auch in unserem Stadtwald zu informieren.
    Dafür könnte die Verwaltung eine öffentlichen Veranstaltung organisieren, zu dem Vertreter der Waldwende eingeladen werden.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Waldwende Heidelberg

  3. … viel Lärm um nichts. Natürlich kann man auch in Heidelberg offene Türen einrennen. Wenn man diesen Antrag durchliest und mit Heidelberger Verhältnissen vergleicht (so man sie tatsächlich kennt), kommt man zum Schluss: prima, das haben wir ja schon, da brauchen wir nicht nach Lübeck oder Kaiserslautern zu schauen.
    Ich wünsche mir, dass weniger gemeckert und stattdessen mehr gemacht wird. Nicht nur heute hätten wir Aktivisten von Heidelberger Umweltverbänden gerne mehr Leute beim Bekämpfen der Kermesbeere im Ziegelhäuser Wald gesehen.

  4. Lieber Gerd,
    Deine Wahrnehmung von der Heidelberger Forstpraxis scheint ein wenig eingetrübt zu sein:
    – bei ihr steht nämlich die Holzentnahme an erster Stelle, vor den sogannnten Ökosystemleistungen,
    – die Baumdichte wird nicht gefördert, sondern „Auflichtungen“ werden überall vorgenommen,
    – maschinengerechte, asphaltierte Forststrassen verdrängen die Waldwege,
    – PEFC Bluff wird gefördert statt ökologische Naturland Zertifizierung,
    – Bäume werden im jugendlichen Alter gefällt anstatt sie an ihr mögliches Lebensziel von hunderten von Jahren zu begleiten,
    – es gibt kaum alte Bäume obwohl diese für Artenvielfalt und Kohlenstoffspeicherung am wichtigsten sind, usw.
    Die vielen „Hiebsmaßnahmen“ führen zu lichten Strukturen, die die Kermesbeere bevorzugt. Wie bei der Bodenerosion im Mühltal ist es ein selbstgeschaffenes Problem. Bei einem anderen Waldkonzept bräuchtest Du nicht mehr mit der Gartenschere ausrücken um gegen invasive Arten zu „kämpfen“. Mit der Natur ist besser als gegen die Natur!

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