DER WALD VON MASSANE

Vortrag der Kuratorin Diane Sorel

am 15.10.25 20h

Im Forum am Park, Poststraße 11, 69115 Heidelberg, Eintritt frei

(französisch mit Simultandolmetschen)

Nachdem der Botaniker Francis Hallé 2022 seinen Kampf für einen Primärwald in Europa in Heidelberg vorgestellt hat, präsentieren wir einen besonderen Wald in Südfrankreich: der im Albères-Massiv (Argelès-sur-Mer – Pyrénées-Orientales-Okzitanien) gelegene Wald „Réserve Naturelle Nationale de la Forêt Massane“ ist einer der wenigen mediterranen Wälder, der sich seit über einem Jahrhundert frei entwickeln darf.

Er wurde 2021 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt und ist deshalb ein einzigartiger Ort, um die natürliche Dynamik von Waldökosystemen zu studieren. Der Vortrag wird den Ursprung dieses Pionierprojekts, die aktuellen Herausforderungen für den Naturschutz angesichts des globalen Wandels sowie die Bedeutung der Anerkennung des Wertes dieser wilden Wälder in der öffentlichen Politik erörtern.

Diane Sorel ist Ökologin und hat sich auf Wissenschaftskommunikation und den Erhalt der Biodiversität spezialisiert. Seit 2014 arbeitet sie für den Wald von Massane und ist seit 2024 dessen Kuratorin. Sie arbeitet täglich daran, dieses außergewöhnliche Gebiet an der Schnittstelle zwischen Forschung, Schutz und Bewusstseinsbildung zu erhalten.

Mit Unterstützung von Occitanie, BUND Heidelberg, NABU Heidelberg und Greenpeace Mannheim-Heidelberg

Wie Bäume der Klimakrise widerstehen von Pierre Puchot – LE MONDE diplomatique (5/2024)

Wilder Wald

Auf der einen Seite verbrannte Wüstenlandschaft, auf der anderen ein jahrtausendealter, üppiger Wald mit einer in Europa einzigartigen Artenvielfalt – so sah es im Frühjahr 2023 im Albères-Massiv aus. Hier, am südlichsten Zipfel Frankreichs, wo die Pyrenäen aufs Mittelmeer treffen, lassen sich die Herausforderungen studieren, die in Zeiten der Erderwärmung auf den Wald zukommen.

Übernutzung, Krankheiten und Parasiten, invasive Arten, Baumsterben, Dürre, Feuer und Stürme machen dem Wald zu schaffen. Gerade jetzt, da die Menschheit ihn am dringendsten braucht, vermag er seine Rolle als Kohlenstoffsenke immer weniger zu erfüllen. 2022 haben die französischen Wälder nur 27,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden, gegenüber
40 Millionen im Jahresdurchschnitt des letzten Jahrzehnts und 60 Millionen in den zehn Jahren davor.

Insbesondere in der Region Grand Est (Elsass und Lothringen, Champagne und Ardennen) geben einige Wälder inzwischen mehr Kohlendioxid, ab, als sie aufnehmen. Zwischen 2012 und 2020 lag die Baumsterblichkeit 54 Prozent über derjenigen zwischen 2005 und 2013. Angesichts der apokalyptischen Landschaft, die der Großbrand im April 2023 hinterließ – mehr als 1000 Hektar Bäume und Büsche gingen zwischen dem Grenzort Cerbère und der Kleinstadt Banyuls-sur-Mer in Rauch auf, lässt ein Abstecher in den Forêt de la Massane, wenige Kilometer entfernt, selbst pessimistische Klimaforscher wieder Hoffnung schöpfen.

Gemanagt wird das Naturschutzgebiet von den Amis de la Massane, einer Gruppe von Wissenschaftler:innen des Meeresforschungsinstituts in Banyuls, das an die Universität Paris-Sorbonne und das Nationale Forschungszentrum CNRS angegliedert ist. Doch warum wird einem kleinen Wald in den Ausläufern der Pyrenäen so viel Aufmerksamkeit geschenkt? Schließlich handelt es sich doch nur um ein 336 Hektar großes Puzzleteilchen von landesweit insgesamt 17,3 Millionen Hektar Wald.

Tatsächlich ist der Massane für die Wissenschaftlerinnen nicht nur ein Wald. Er ist ein mehrere Jahrtausende altes Heiligtum und Freiluftlabor mit 12500 Tier- und Pflanzenarten. Im Verhältnis zu seiner geringen Größe ist die Biodiversität in Europa einzigartig. Drei Besonderheiten zeichnen das Massane-Ökosystem aus: die Lage in Meeresnähe, das hohe Alter und der über Jahrzehnte andauernde geringe anthropogene Einfluss.

Vor 150 Jahren beschlossen Forstingenieure, das obere Massane-Tal unter Schutz zu stellen. Bis dahin war die Region so intensiv bewirtschaftet worden, dass die Dörfer am Fuß der Berge von Schlammlawinen bedroht waren, wenn der Massane-Fluss über die Ufer trat, der auf dem Kamm des heutigen Naturschutzgebiets entspringt. Ein intakter Wald verhindert Erosion und hält den Boden stabil.

Den Wald schützen, damit er uns schützt – das Konzept ist eigentlich und viel politischer, als man meint. In Massane ist nur spazieren gehen erlaubt; jegliche kommerzielle Nutzung ist verboten. Im Massane wird kein Holz geschlagen oder gesammelt.

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